Ur-Tümer in Bedrängnis
Vor über 300 Millionen Jahren entwickelten sich Libellen auf unserem Planeten und sie zählten damals zu den ersten flugfähigen Insekten. Sie bewohnten Feuchtgebiete, insbesondere auch Moore, die sich später oft zu unseren heutigen Steinkohlelagerstätten entwickelt haben. In solchen Lagerstätten wurden auch Fossilien dieser Urlibellen gefunden und versteinert für die Nachwelt erhalten. Ihre Dimensionen mit einer Flügelspannweite von bis zu 70 cm waren beachtlich und sie nahmen vermutlich eine Top-Prädatoren Rolle im Ökosystem ein. Es wird angenommen, dass sie sich damals primär von anderen Insekten ernährten.
Ein paar Massenausterben in der Erdgeschichte haben sie überlebt, weshalb es umso tragischer ist, dass diese urtümlichen Geschöpfe nun stärker denn je in Bedrängnis kommen. Im „anthropogenen Massenausterben“, welches gerade im Gange ist und durch den Menschen verursacht wird, finden sie besonders erschwerte Lebensbedingungen. In Österreich gibt es rund 80 heimische Libellenarten, und die Ursachen für den Rückgang sind immer dieselben: Lebensraumzerstörungen wie Trockenlegung von Feuchtgebieten, Moorzerstörung, Gewässerverbauungen und die Kontaminierung von Gewässern durch giftige Stoffe wie Insektizide sind insbesondere für die im Wasser lebenden Larven problematisch. Zusätzlich setzen Änderungen im Nährstoffhaushalt, aber auch der Klimawandel mit seinen Folgeerscheinungen unsere Libellenarten stark unter Druck.
Wie kam es zum Nachweis im Naturpark Hochmoor Schrems?
„Für eine Fernsehreportage im Naturpark sollten auch typische Moorbewohner gefilmt werden, was mit den Launen der Natur nicht so einfach zu erfüllen ist. Zum Glück sah ich dann doch noch eine Kleinlibelle, die ich fotografierte“, schildert UnterWasserReich GF Thomas Kainz. Zu Beginn war noch nicht ganz klar welche besondere Art vor die Linse geflogen war. Zum Glück half die Libellenexpertin Helene Strohmayer bei der exakten Artbestimmung und bestätigte den einzigartigen Fund der Kleinen Binsenjungfer (Lestes virens), der nach weiteren Belegfotos auch noch von anderen Expert*innen bestätigt werden konnte. Nach einigen Recherchen und Expert*innengesprächen stellte sich heraus, dass die Art seit 1997 nicht mehr in Schrems dokumentiert wurde.
„Es ist großartig, dass die vom Aussterben bedrohte Kleine Binsenjungfer nach fast 30 Jahren im Naturpark Hochmoor wieder nachgewiesen werden konnte und hier eines der letzten Refugialbiotope besitzt, dass wir bestmöglich schützen wollen“, erzählt Thomas Kainz.
Steckbrief der Kleinen Binsenjungfer
Die Kleine Binsenjungfer (Lestes virens) ist eine Kleinlibellenart, die charakteristisch im Gegensatz zu den Großlibellen einen schlankeren und zarteren Körperbau aufweist, wo die Augen deutlich voneinander getrennt sind und die gleichaussehenden Flügelpaare in Ruhestellung zusammengeklappt werden können.
Sie ist von oben betrachtet metallisch grün glänzend, was im Alter ins Kupferfarbene übergehen kann und unterseits ist sie hellblau. Charakteristisch ist auch die bläuliche Wachsbereifung am Ende des Abdomens (Hinterleib) bei den Männchen und die in der Regel bräunlichen Flügelmale, die bei beiden Geschlechtern weiß eingefasst sind. Die genaue Bestimmung dieser Art erweist sich jedoch als schwierig, da andere Binsenjungfern- oder auch Weidenjungfern-Arten ihr zum Verwechseln ähnlichsehen.
Ihr bevorzugtes Habitat (Lebensraum) sind vorwiegend stehende, flache Moorgewässer, die sauer und frei von Fischen sind. Sie fliegen zwischen Juni und Oktober und man findet sie insbesondere gerne an sonnigen Plätzen, wo sie auf Binsen und Seggen sitzen. Dort paaren sich die adulten Tiere im herzförmigen Paarungsrad, was einem akrobatischen Schauspiel gleichkommt. Die befruchteten Eier sind rund 1,4 mm groß und werden in stehenden Pflanzenstängeln abgelegt. So überliegen sie den Winter und im Frühling schlüpfen die Larven, die sich von kleinen Planktonlebewesen im seichten Wasser ernähren bis sie sich zum flugfähigen Insekt entwickeln.
Laut den roten Listen Österreichs ist die Kleine Binsenjungfer eine vom Aussterben bedrohte Art, die nur noch an ganz wenigen Refugien vorkommt und dementsprechend nur äußerst selten zu finden ist.
Was bedeutet vom Aussterben bedroht und wie kann man sie schützen?
Die roten Listen Österreichs sind besonders wichtige Nachschlagewerke im Artenschutz, da sie den Gefährungszustand von Arten in unserem Land beschreiben und durch Expert*innen eingestuft wurden. Sie bilden die Grundlagen für weitere Schutzmaßnahmen. Die Einstufung in die Kategorie „Critically Endangered“, oder auf Deutsch „vom Aussterben bedroht“ beschreibt eine 50%ige Aussterbenswahrscheinlichkeit in 10 Jahren oder 3 Generationen, beziehungsweise dass sie unter aktuellen Bedingungen in maximal 100 Jahren aussterben wird.
Laut den roten Listen ausgewählter Tiergruppen Niederösterreichs zeigen für den Arterhalt neben strukturreichen Weihern insbesondere regenerierte Torfstiche positive Auswirkungen auf die Populationen. Deswegen stellen Moorrenaturierungsprojekte, wie ein kürzlich gestartetes, dass gerade im Naturpark Hochmoor Schrems umgesetzt wird, (Projektdetails siehe: www.unterwasserreich.at/projekt-moor-renaturierung-im-schremser-hochmoor), eine wichtige Schutzmaßnahme dar. Außerdem gilt es, Nährstoffanreicherungen im Ökosystem, die oft zu Änderungen in der Vegetation führen, zu vermeiden. So kann diese Spezies auch zukünftig bestmöglich vor dem Aussterben bewahrt werden.
Absolut harmlose „Drachen“
Im Englischen wird die Libelle als dragonfly, sprich „Drachenfliege“ bezeichnet, was auf ihr imposantes Aussehen und ihre eindrucksvolle Flugfähigkeit hinweist. Des Weiteren halten sich bis heute Gerüchte, dass Libellen giftig wären, stechen könnten oder sogar mit ihren Flügeln schneiden könnten. Dies sind aber nur Ammenmärchen. Wenn man sie fängt, können sie höchstens beißen, um sich zu verteidigen, was aber für Menschen kaum schmerzhaft ist. Manche Libellen sind jedoch sehr reviertreu und trauen sich auch manchmal näher heran, um den menschlichen Eindringling genauer zu inspizieren und gegebenenfalls zu vertreiben versuchen, was jedoch keine ernstzunehmende Gefahr darstellt.