Edelkastanie
Kraftvoller Baum und anspruchsvolle Diva unserer Wälder, weitgereist und schon von den Römern hochgeschätzt, ihre Früchte sind heute schmackhafte herbstliche Delikatesse und waren früher lebensrettendes "Notbrot". Die Edelkastanie, ein Wunderwuzzi!
Die Nüsse haben´s in sich – und nicht nur die!
Ursprünglich aus Kleinasien und mit den Römern bis in unsere Breiten nordwärts gereist, konnte sich die Edelkastanie in klimamilden Lagen in unseren Laubmischwäldern ansiedeln. Sie gehört mit ihren Schwesternarten, der Eiche und der Buche, zu den mächtigsten Laubbäumen unserer heimischen Wälder. Was den Standort betrifft, ist die exotische Diva äußerst anspruchsvoll. Warm muss es sein, wo sie gedeiht, und gleichzeitig feucht genug. Spätfröste oder Dauerregen zur Blütezeit – nein danke! Mit ähnlichen Vorlieben wie der Weinstock harmonieren die beiden Gehölze somit nicht nur kulinarisch in Form von "Sturm und Maroni". Und was essen wir hier eigentlich, wenn wir von Maroni oder Kestn, wie die Früchte der Edelkastanie auch genannt werden, reden? Botanisch gesehen handelt es sich hierbei um Nussfrüchte mit dicken Speicher-Keimblättern. Bis zu drei Nüsse werden von einem stacheligen Fruchtbecher umschlossen, der sich bei Fruchtreife durch einen Austrocknungsmechanismus öffnet. Reich an Stärke, hochwertigem Eiweiß, wichtigen Mineralstoffen und Spurenelementen sowie Vitaminen können sich sowohl der Nähr- als auch der Heilwert der Maroni sehen lassen. Sie sind gekocht oder gebraten magenfreundlich und sorgen für eine gute Verdauung. Sie wirken blutbildend und antiseptisch, außerdem stark stopfend, sind also Heilnahrung bei Durchfall, aber auch bei Hauterkrankungen und allgemeiner Schwäche. Auch für DiabetikerInnen sind sie aufgrund der fehlenden Glucose und Fructose sehr gut verträglich. Neben ihren geschmacklichen Vorzügen bringt die Edelkastanie auch ein sehr wertvolles Holz hervor. Es ist extrem widerstandsfähig und haltbarer als Eichenholz. Unter Wasser ist Kastanienholz eines der dauerhaftesten Hölzer und dadurch im Wasser- und Schiffsbau sehr begehrt.
Gut Ding braucht Weile
Nicht nur wir Menschen erfreuen uns an den Produkten, welche die Edelkastanie zur Verfügung stellt. Wenn die Kastanienbäume zwischen Mai und Juni erblühen, lockt der intensive Blütenduft zahlreiche Insekten an. Sieht man sich die Blüten genauer an, lassen sich rasch zwei unterschiedliche Formen erkennen. Die Edelkastanie bildet nämlich männliche und weibliche Blüten in getrennten Teilblütenständen ("Kätzchen") aus. Die männlichen Blüten sind leicht an den zahlreichen, lang abstehenden Staubbeuteln zu erkennen, die weiblichen hingegen sind unscheinbarer. Die Blüten, besonders die männlichen, werden von Bienen und Käfern besucht. Ihre reiche Pollen- und Nektarproduktion ist unter anderem für die Honigbienen von großer Bedeutung. Hier finden sie große Mengen an Pollen und Nektar, der sowohl in den Blüten selbst, als auch zusätzlich in sogenannten extrafloralen Nektarien, also Nektardrüsen, die außerhalb der Blüten in den Blattachseln sitzen, angeboten wird. Bis Kastanienbäume das erste Mal in ihrem Leben blühen, vergeht viel Zeit. Zumindest 20-30 Jahre alt sind sie, wenn sie ihre ersten Blüten und Früchte hervorbringen. Früher durften Menschen, die keinen eigenen Grund besaßen, auf öffentlichem Boden Edelkastanien für den Eigengebrauch pflanzen. Durch die lange Entwicklungszeit der Bäume profitierten jedoch oft erst die nächsten Generationen von deren Früchten. Aus diesen dunklen Zeiten stammt auch die Tradition des Maronibraters. Heute bemüht sich die Pflanzenzüchtung um die Entwicklung von Sorten, die schon in jüngeren Jahren fruchten, um die Edelkastanie für den Kulturanbau effizienter nutzen zu können. Trotz aller Beliebtheit ist der Glanz unserer Diva nicht ungetrübt: Ein parasitischer Pilz, Cryphonectria parasitica, treibt sein Unwesen unter den Edelkastanien unserer Wälder. Aus Asien in den 1960er-Jahren bis Österreich verschleppt, ist der Kastanienrindenkrebs in unseren Breiten die gefährlichste Krankheit für die Edelkastanie. Über kleine Wunden gelangt der Pilz in die Bäume, wächst in ihre Leitgefäße ein und zerstört das Gewebe. Dadurch können die darüber liegenden Astabschnitte nicht mehr versorgt werden und sie sterben ab. Das kann bis hin zum Tod des ganzen Baumes führen. Oft hilft nur ein starker und großzügiger Rückschnitt der befallenen Äste und Stämme.