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Foto: goodluz/fotolia

Masterarbeitvon Marie Spallek

Kulturlandschaftsentwicklung im Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler AlpenBedürfnisse und Perspektiven Berglandwirtschaft Betreibender in der Naturparkgemeinde Brandberg

Das Erscheinungsbild des Hochgebirgs-Naturparks Zillertaler Alpen mitsamt seinen Seitentälern und Gemeinden ist vielseitig: Unberührt anmutende, teils schroffe Natur rund um die Gipfel am Alpenhauptkamm, idyllisch wirkende Almen, Wälder, Seen und Flüsse bieten Flora, Fauna und Mensch verschiedenste Lebensräume. Überall hinterließ der Mensch seit Jahrhunderten seine Spuren, tut dies bis heute und wird auch zukünftig auf unterschiedlichste Weise die Region prägen. So zeugt besonders in Talbereichen und rund um die Siedlungen herum bis in die Gegenwart eine kleinteilige und vielseitige Kulturlandschaft von der traditionellen Landnutzung zahlreicher Generationen bergbäuerlicher Landwirtschaft. Landschaft ist hier Lebens- und Wirtschaftsraum für die Bevölkerung, Erholungsraum für Tourist*innen und gleichzeitig von ökologischem Wert für zahlreiche teils spezialisierte Tier- und Pflanzenarten (Land Tirol Abt. Umweltschutz & Verein Naturparkbetreuung Zillertaler Alpen, 2019).

Besonderes Gewahrsein über ihre Einzigartigkeit genießt die historisch erwachsene Kulturlandschaft in der Naturparkgemeinde Brandberg im Norden der Naturparkregion. Bis heute ist das Betreiben von Berglandwirtschaft für die Gemeinde ein wichtiges Standbein und entgegen landwirtschaftlichen Gunstregionen stellt die Exposition der Landschaft die Berglandwirt*innen der Gemeinde vor Herausforderungen. Exponiertes Gelände und die klimatischen Bedingungen der Alpen erschweren ihre landwirtschaftliche Nutzung (Bätzing, 2015). Gemeinsam mit finanziellen Herausforderungen führt dies in ländlichen Bergregionen Europas zunehmend zur Bewirtschaftungsaufgabe landwirtschaftlicher Betriebe, wovon auch Tiroler Betriebe betroffen sind (Schuh et al., 2020). Um diesem Trend entgegenzuwirken und lokale Berglandwirt*innen in ihrem Schaffen zu unterstützen, wurde auf Initiative der Gemeinde Brandberg Ende der 90er Jahre ein auf das Gemeindegebiet zugeschnittenes Förderprogramm entwickelt. Heute stellt sich die Frage, wie sich die landwirtschaftliche Nutzung in Brandberg und die durch sie geprägte Kulturlandschaft in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt haben und wie deren zukünftige Entwicklung eingeschätzt wird. Können bestehende Bewirtschaftungsformen aufrechterhalten und der kulturelle und ökologische Wert dieser Landschaft gesichert werden?

 

Zielsetzung & Methodik

Zentrale Zielvorstellungen, welche dem Forschungsprozess dieser Arbeit zugrunde liegen, sind das Ineinandergreifen von Natur und Kultur, das Fördern der Biodiversität und das Erhalten bzw. Schaffen einer zukunftsfähigen Perspektive für Landwirt*innen. Forschungsleitend waren folgende Fragen:

  1. Wie beurteilen Berglandwirtschaft Betreibende der Gemeinde Brandberg Entwicklungen zur Landnutzung und Kulturlandschaft in der Vergangenheit und wie werden diese in der Kulturlandschaft sichtbar?
  2. Welche Perspektiven sehen Berglandwirtschaft Betreibende der Gemeinde Brandberg für die Zukunft?
  3. Wie kann die Kulturlandschaft in der Naturparkgemeinde Brandberg zukünftig erhalten und entwickelt werden und gleichzeitig der ökologische Wert von Kulturlandschaftselementen und vorhandenen Lebensräumen erhöht werden?

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden bei einem Forschungsaufenthalt in Brandberg insgesamt elf qualitative, leitfadengestützte Interviews durchgeführt, überwiegend mit betroffenen Berglandwirt*innen der Gemeinde. Nach deren Aufbereitung wurden diese gemäß der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) mit Hilfe eines aus dem inhaltlichen Konzept sowie dem Interviewmaterial entwickelten Kategoriensystems ausgewertet.

 

Ergebnisse

Die befragten Berglandwirt*innen der Gemeinde berichten über eine besondere emotionale Verbundenheit zur Brandberger Kulturlandschaft, sie identifizieren sich mit den Bewirtschaftungsformen der Berglandwirtschaft sowie den lokalen landschaftlichen Eigenheiten. Die Landschaft ist den Bewirtschafter*innen Existenzgrundlage und ihre Bewirtschaftung ist aufgrund ihrer Exponiertheit mit Erschwernissen verbunden. So kommt es, dass manche Betriebe modernisiert wurden und mittlerweile zwar spezialisierte Maschinen eingesetzt werden können, aber dennoch ein Teil der Tätigkeiten weiterhin manuell durchgeführt werden muss. Unterdessen sind in der Berglandwirtschaft heute weniger Beschäftigte involviert als früher.

Zentrale Elemente der Kulturlandschaft in Brandberg sind ihre überwiegend extensive Bewirtschaftung sowie ihre Kleinstrukturiertheit, geprägt durch eine Vielzahl an Kulturlandschaftselementen, die durch eine traditionelle Form bergbäuerlicher Landnutzung entstanden sind. Wie sich die traditionelle berglandwirtschaftliche Nutzung im Laufe der Zeit verändert hat, vollzogen sich auch Veränderungen in der Kulturlandschaft: Die Befragten berichten davon, dass sich das Bild der Kulturlandschaft durch Maßnahmen der Intensivierung und zugleich der Extensivierung verändert hat: Mancherorts sind Wiesen heute weniger bunt und artenreich und moderne Infrastrukturen zeugen vom Wandel der vergangenen Jahrzehnte. Andernorts fallen Flächen brach und verbuschen.

Überwiegend geben die Befragten an, ihrer Arbeit in der Berglandwirtschaft mit Freude nachzugehen, wenngleich sie auch von Herausforderungen berichten: Diese umfassen Umweltrahmenbedingungen wie z.B. die Abhängigkeit von Witterungsbedingungen oder Naturgefahren, die hohe Arbeitsintensität und die finanzielle Situation sowie persönliche Umstände wie z.B. das Finden eines*r Partners*in oder die starke Gebundenheit im Alltag der Berglandwirtschaft. Auf gesellschaftlicher Ebene werden z.B. eine geringe Wertschätzung für die landwirtschaftliche Arbeit und ihre Produkte sowie eine Entfremdung der Menschen zur Landwirtschaft genannt. Von diesen Herausforderungen ausgehend wünschen sich die Befragten für die Zukunft Zugeständnisse von politischer Seite, die insbesondere eine gerechtere Preispolitik für landwirtschaftliche Produkte betreffen, aber auch eine Ausweitung der Förderungen und eine Zunahme gesellschaftlicher sowie politischer Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeit. Perspektiven sehen die Berglandwirtschaft Betreibenden Brandbergs teilweise in einer möglichen Neuausrichtung ihres Betriebes, in persönlichem Engagement, für die Interessen der Berglandwirtschaft einzutreten, oder der Etablierung eines Ab-Hof-Verkaufs.

Zentraler Leitgedanke ist bei Einschätzungen zur künftigen Kulturlandschaftsentwicklung nach Angabe der Befragten das Aufrechterhalten der Landnutzung und das Fortführen der Flächenbewirtschaftung. Zielvorstellung dabei ist es, ein Gleichgewicht zu schaffen, den heutigen Ansprüchen an die Landwirtschaft vor Hintergrund der bestimmenden Rahmenbedingungen gerecht zu werden und dabei die Landschaft im Blick zu behalten. Die Bewirtschafter*innen geben an, eine Balance aus Intensivierung und Extensivierung erhalten zu wollen. Darüber hinaus werden beispielsweise der Erhalt der Biodiversität thematisiert (und angezweifelt), von modernen Kulturlandschaftselementen wie z.B. denjenigen erneuerbarer Energien gesprochen und schlussendlich Ungewissheit über die Zukunft der Kulturlandschaft in Brandberg verkündet.

Dass die Berglandwirtschaft in Brandberg eine Schlüsselposition in der lokalen Naturschutzarbeit einnimmt, sind sich die Befragten weitgehend einig. Allerdings bestehen verschiedene Meinungen zur Ausgestaltung dieser Rolle: So besteht beispielsweise Uneinigkeit darüber, ob der naturschutzfachliche Wert der Landwirtschaft in der Pflege der Landschaft oder in deren versteckten wilden Ecken liegt. Es wird evident, dass Maßnahmen innerhalb ihrer Bewirtschaftung in erster Linie aus den Rahmenbedingungen heraus entstehen und die Berglandwirtschaft Betreibenden darüber hinaus wenig Spielraum für naturschutzfachliche Adaptionen in der landwirtschaftlichen Praxis sehen. Die Orientierung der landwirtschaftlichen Praxis entlang biodiversitätsfördernder Paradigmen wird von einem der Befragten allerdings als Naturschutzpotential identifiziert. Darüber hinaus werden die Ziele vorgestellt, künftig aus der Bewirtschaftung genommene Bergmähder zu reaktivieren, und das Konzept für nachhaltigen und naturverträglichen Tourismus im Zillergrund weiterzuentwickeln.

Wegweisendes Ziel für die künftige Entwicklung der Kulturlandschaft Brandbergs sollte es – auch aufgrund ihres ökologischen Potentials – sein, eine Aufrechterhaltung der Bewirtschaftung zu realisieren. Wie die Ergebnisse der Interviews ergaben, deckt sich diese Zielvorstellung in weiten Teilen mit den Bestrebungen der Berglandwirt*innen der Gemeinde: Das Fortführen der Berglandwirtschaft ist für sie mehrheitlich von großer Bedeutung. Diese Tatsache ist insofern relevant, da Bätzing (2015) es für den Erhalt der ökologischen Stabilität von Kulturlandschaften als bedeutend hervorhebt, dass der Mensch sich seiner permanenten Verantwortung für den Stabilitätserhalt bewusst ist. Nur wenn sich Landwirt*innen aktiv für eine den Gegebenheiten angepasste Bewirtschaftungsform einsetzen und Pflegearbeiten erbringen, ist der Erhalt der ökologischen Stabilität aber auch der Kulturlandschaft leistbar.

 

Im Text erwähnte Literatur:

  • Bätzing, W. (2015). Die Alpen: Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft (4. Aufl.). Verlag C.H. Beck.
  • Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung (4. Auf-lage). Beltz Juventa.
  • Land Tirol Abt. Umweltschutz & Verein Naturparkbetreuung Zillertaler Alpen (Hrsg.). (2019). Hoch-gebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen. www.naturpark-zillertal.at/fileadmin/Bilder/Folder_Zillertaler_Alpen_2019_web.pdf
  • Schuh, B., Dax, T., Andronic, C., Derszniak-Noirjean, M., Gaupp-Berghausen, M., Hsiung, C. H., Münch, A., Machold, I., Schroll, K., & Brkanovic, S. (2020). Research for AGRI Committee – The challenge of land abandonment after 2020 and options for mitigating measures. Euro-pean Parliament, Policy Department for Structural and Cohesion Policies. doi.org/10.2861/796516

 

Download

Die Masterarbeit "Kulturlandschaftsentwicklung im Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen - Bedürfnisse und Perspektiven Berglandwirtschaft Betreibender in der Natur-parkgemeinde Brandberg" (2022) von Marie Spallek wurde an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg verfasst und kann hier heruntergeladen werden (PDF-Download: 55,8 MB).

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