Masterarbeitvon Benjamin Spitaler
Quartärgeologie, Geomorphologie und Lumineszenz Geochronologie im Riß- und Isartal (Raum Vorderriß bis Hinterriß, nördliches Karwendel)
Diese Masterarbeit untersucht die geologische und klimatische Entwicklung des Riß- und Isartals im Karwendelgebirge, einer Region, die sowohl geologisch als auch landschaftlich von großer Bedeutung für den Naturraum der Alpen ist. Die Arbeit liefert wertvolle Informationen über die Gletscherbewegungen während der letzten Eiszeit (Würm-Eiszeit) und die Auswirkungen dieser Bewegungen auf die Landschaftsformung.
Ziele und Methoden
Das Untersuchungsgebiet
Das Riß- und Isartal befindet sich an der Nordseite des Karwendelgebirges und ist Teil eines faszinierenden Naturraums, dessen heutige Erscheinung maßgeblich durch mächtige Gletscher geprägt wurde. Diese Gletscher und die damit zusammenhängenden Prozesse hinterließen markante Spuren in der Landschaft, darunter Moränen, Seeablagerungen und terrassenartige Strukturen. Diese Relikte sind nicht nur Zeugnisse der geologischen Vergangenheit, sondern auch wichtige Lebensräume für die heutige Flora und Fauna im Naturpark Karwendel.
Würm-Eiszeit und Gletscherbewegungen
Die Würm-Eiszeit ist die jüngste Kaltzeit in den Alpen und begann vor etwa 115.000 Jahren. Vor etwa 11.700 Jahren endete diese Kaltzeit durch eine global auftretende klimatische Erwärmung, die den Beginn des Holozäns (gegenwärtiger Zeitabschnitt der Erdgeschichte) darstellt. Während der Würm Eiszeit führten kühlere klimatische Bedingungen zu ausgedehnten Vergletscherungen im Alpenraum, wodurch sich große Gletscher über die Alpen bewegten und die heutige Landschaft prägten. Die Arbeit untersucht, wie sich die Gletscher im Riß- und Isartal während dieser Zeit verhielten und wie ihre Bewegungen durch Klimaveränderungen beeinflusst wurden.
Untersuchungsmethoden
Die talformenden Prozesse im Rißtal wurden durch Untersuchungen von mineralischen Lockermaterialien (Sedimenten) und Geländeformen (z.B. Moränen) identifiziert und in eine Ablagerungsabfolge gebracht. Zur zeitlichen Einordnung wurde an Feinkornablagerungen (4-11 µm) die Lumineszenz-Datierung angewendet. Diese Technik beruht auf dem Phänomen, dass bestimmte Mineralien (Quarz und Feldspat) anfangen Energie zu speichern, sobald diese begraben werden. Diese Energie wird durch den Kontakt mit Licht wieder freigesetzt und kann im Labor gemessen werden. Dies ermöglicht es, das Alter von Gesteinsablagerungen zu bestimmen. Die gewonnen numerischen Altersdaten und indirekten Altersindikatoren wurden anschließend mit Paläoklimadaten und Gletschermodellen verglichen, um die talformenden Prozesse klimatischen Bedingungen zuzuordnen.
Ergebnisse
Die Untersuchungen der sedimentären Ablagerungen und Geländeformen zeigen drei unterschiedliche Seebodenniveaus und somit Seephasen im mittleren Hinterrißtal auf. Die Lockergesteinsabfolgen dieser Seephasen wurden nach ihrer Ablagerung überkompaktiert, was mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Eisauflast während des Letzten Glazialen Maximus (LGM), vor etwa 24.000 Jahren zurückzuführen ist. Die Seeablagerungen des zweiten Seebodenniveaus konnten auf ein Alter von etwa 39.000 Jahren datiert werden. Die Seebodenablagerungen der zweiten Seephase enthaltenen eine sehr geringe Anzahl an Kiefer- und Birken-Pollen, begleitet von wenigen Pollenkörnern typischer Steppenkräuter. Dies lässt auf einen langen Transportweg der Baumpollen und eine sehr karge Vegetation im Nahbereich schließen. Während der Seephasen erstreckten sich die Seen dabei fast über das gesamte Rißtal und dürften eine Tiefe zwischen 100 und 300 Metern aufgewiesen haben. Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Aufstauung des Rißtals durch den vorrückenden Inntalgletscher erfolgte. Dieser dürfte über den Seefelder Sattel vorgestoßen sein und das Rißtal aufgestaut haben, bevor sich dort lokale Gletscher bilden und das Haupttal erreichen konnten. Wie in Abbildung 1 ersichtlich gibt es drei Positionen, an denen der Inntalgletscher das Rißtal aufgestaut haben könnte. Aufgrund des angenommen Fließverhaltens dürfte der Inntalgletscher zuerst Position 1 erreicht haben und mit zunehmender Gletscherausdehnung an den Positionen 2 und 3 ins Rißtal vorgestoßen sein.
Abgleiche mit aktuellen Gletschermodellen der Alpen zeigen drei Vorstöße der inneralpinen Gletscher ins Alpenvorland während des Würm-Glazials: den Ersten vor etwa 70.000 Jahren, den Zweiten vor etwa 40.000 Jahren und den Dritten im Zuge des Eisaufbaus des Letzten Glazialen Maximums vor etwa 30.000 Jahren. Der zweite Vorstoß korrespondiert zeitlich mit dem Alter der zweiten Seephase im Rißtal und der dritte Vorstoß mit dem Eisaufbau des LGM, was mit der dritten Seephase im Rißtal korrespondiert. Diese Übereinstimmungen deuten darauf hin, dass die eiszeitlichen Seeablagerungen im Rißtal die Vorstöße des Inntalgletschers ins Alpenvorland während des Würm-Glazials dokumentiert haben. Dabei dürfte es während extremer Kälteperioden innerhalb der Würm-Eiszeit zu einem raschen Anwachsen der inneralpinen Gletscher gekommen sein. Dadurch konnte der Inntalgletscher den Seefeldersattel überfließen und das Rißtal aufstauen, noch bevor die lokalen Gletscher das Rißtal erreichen konnten. Diese Klimaarchive könnten die ersten Belege für diese Gletschervorstöße im Bereich der Ostalpen darstellen. Durch Datierung von Feinkornablagerungen im Isartal konnte eine lokale Stausituation der Isar flussaufwärts der Rißbachmündung vor etwa 13.000 Jahren nachgewiesen werden. In den beprobten Feinkornablagerungen konnten keine Pollen nachgewiesen werden, weshalb für diese Zeit keine Aussagen über die Vegetationsverhältnisse getroffen werden können. Die Stausituation dürfte durch erhöhte Sedimentschüttungen aus dem Rißtal verursacht worden sein und korrespondiert zeitlich mit den letzten Gletschervorstößen (Kaltphase) in den Alpen am Ende der Würm-Eiszeit. Mit dem Beginn des Holozäns vor etwa 11.700 Jahren und klimatisch günstigeren Bedingungen dürfte es im gesamten Untersuchungsgebiet zur Bildung von Terrassenformationen gekommen sein. Dabei schneiden sich der Rißbach und die Isar in das mit eiszeitlichen Sedimenten aufgefüllte Untersuchungsgebiet ein und schütten in Phasen erhöhter Sedimentakkumulation (Kaltphasen) wieder neue Terrassenniveaus auf.
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Die Masterarbeit "Quartärgeologie und Gletscherdynamik im Riß- und Isartal " (2024) von Benjamin Spitaler wurde an der Universität Innsbruck verfasst und kann hier heruntergeladen werden (PDF-Download: 8,4 MB).